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Rückblick macht Blickdicht

Afrika - Marokko 2020: Ein Einblick in eine völlig fremde Kultur öffnet den Horizont und vor allem die Augen. Woran ich glaube? Schicksal oder Zufall. Verantwortung bekommt hier ein ganz anderen Stellenwert. Lebt man oder überlebt man? Wie resistent sind wir Europäer gegenüber anderer Kulturen und Essgewohnheiten?


Auf einmal sitze ich in einem Bus in Richtung Berlin. Spontanität kennt keine Erwartungen. Es ist mitten in der Nacht. Kalt, windig und regnerisch. Für nur 9 Euro lege ich eine Strecke von ca. drei Stunden zurück. Da ist fast ein Tagesticket der deutschen Bahn im Raum Hamburg teurer. Wo sind die Relationen hin? Die ganze Fahrt über schlief ich. „Nächste Station Berlin-Alt-Tegel.“, hieß es und wir stiegen aus. Es war 03.00 Uhr nachts und wir auf dem Weg zum Flughafen Berlin Tegel in Richtung Afrika. Unser Flieger würde erst um 8.00 Uhr morgens gehen, aber es gab nur teurere Optionen, die wir nicht bereit waren zu zahlen. So schliefen wir zwischen Durchsagen, die in vier Sprachen durchgesagt wurden, auf der Heizung und auf den Sitzbänken am Flughafen, für kurze Zeit ein. Der Flughafen füllte sich und wir waren wie Zombies, die sich fortbewegten und sich auf ihr Ziel freuten. Unser Flieger war auf die Minute genau pünktlich und zum Abflug bereit. Der Flug hat uns knapp 200 Euro gekostet. Hin und zurück. Wie immer ist Fliegen wunderschön. Dieses Abheben inmitten von gefühlter Schwerelosigkeit in Pause und endloser Weite. Die Zeit fliegt wortwörtlich an einem vorbei. Es kommt einem beim Fliegen nie so vor, dass man mit so einer Geschwindigkeit unterwegs ist. Fliegen ist irgendwie fernab vom Geschehen sein. Niemand kann dich erreichen, weil dein Handy im Flugmodus ist. Man drückt not gedrungen auf Pause, um dann bei der Landung, wie so viele es tun, ganz schnell wieder auf Play zu drücken. Wir flogen über eine gigantische Bergkette in den Flughafen hinein. Ich spürte, dass wir hier von Wärme und Sonnenstrahlen begrüßt werden würden. Dem war auch so. Es waren an die 35 Grad Celsius. Wir mussten nun durch die Sicherheit-und Passkontrolle. In Zeiten wie diesen, sollte ein Jeder einen Zettel zu unserem aktuellen Gesundheitszustand ausfüllen. Es ging hierbei um das Corona-Virus. Schon krass, dass man so etwas nun selber mit erlebt. Sollte die Menschheit dieses Virus überleben, wovon ich stark ausgehe, geht das bestimmt in die Geschichte mit ein und wir alle sind Teil dessen.


Unser erster Stopp war einer der Wochenmärkte in Agadir. Auf dem Weg dorthin, hielten wir bereits einfach mitten auf der Straße an, weil dort vollgeladene Transporter mit frischen Orangen standen.

Der Markt war voll. Überall waren Schirme, die zum Teil einfach aus alten Lacken bestanden, gegen die Hitze aufgespannt. Dadrunter tümmelte sich das regionale und frische Gemüse und Obst. Die Händler waren nicht aufdringlich, sondern machten den Eindruck, als wären sie so oder so zufrieden. Ich sah eine andere Art von Schnelllebigkeit. Hier schoben Kinder vollbeladene Schubkarren vor sich her, ganz selbstverständlich halfen sie ihren Müttern. Esel "parkten" vor dem Markt, die als Transportmittel genutzt wurden.


Bei uns parken fette Autos vor den Märkten mit denen so manch einer vielleicht fünf Kilometer weit fahren muss, um etwas auf dem Markt einzukaufen. Wie gut wir es haben. Mein Kumpel, den wir dort besuchten, erzählte uns viel von der Geschichte Marokkos. In Zeiten wie diesen setzt Marokko vor allem auf den Tourismus. Marokko wird von einem König und der früheren, gehobenen Mittelschicht, die jetzt durch die Einmischung in die Politik reich sind, regiert. Überall werden schicke, neue Hotels oder Häuserblocks für Ferienwohnungen gebaut. Allerdings auf Land, welches einst Familien gehörte. Marokko habe ein Problem mit der Kanalisation. Das Abwasser würde ins Meer fließen. Die steigende Tourismuszahl sei dafür verantwortlich. Jemand bucht also seinen All-Inclusive Urlaub im Angebot. Klickt ohne zu zögern auf "Jetzt Buchen" und lässt sich in den zwei Wochen, die er oder sie dann im Hotel ist, von vorne nach hinten bedienen. Volle Teller, die halbvoll bleiben, weil man es vor Gier nicht geschafft hat aufzuessen. Innen und Außenpool, Whirlpool und Sauna dürfen natürlich nicht fehlen. Den Strand direkt fußläufig zu erreichen. Kamele, die Euch den langen Strand aus einer anderen Höhe zeigen. Handtücher, die du jeden Tag waschen lässt, weil du zu fein bist, dich mit ein wenig Sand im Handtuch abzutrocknen. Was wird derjenige in diesen zwei Wochen gesehen haben? Ja, derjenige wird erholt zurück in sein Heimatland kommen. Und wirtschaftlich gesehen ist es ja auch eine gute Einnahmequelle. Aber für was für einen Preis? Arbeiter, die unterbezahlt werden, auf der Baustelle übernachten, weil der Heimweg ins innere des Landes dank schlechter Infrakstruktur unmöglich ist. Zwei Kilometer entfernt der einheimische Trubel. Menschen, die mehr überleben, als leben. Kinder, die wahrscheinlich nie in eins dieser Hotels gehen werden können, und wenn ja, nur um zu arbeiten. Ein Kind, welches quasi ohne Vater aufwächst, weil dieser in der Stadt arbeiten geht. Ein Kind, welches das Arganöl an den Straßenrändern, welches die Mutter hart erntet, verkaufen muss. Tag ein, Tag aus. Wie gut wir es haben. Ein Kind ohne Weitblick und Chancen auf ein "besseres" Leben. Keine gute schulische Bildung, nur wenn du bezahlen kannst. Das Land ist ziemlich korrupt. Immerzu wurden wir an den vielen Checkpoints von der Polizei angehalten und sogar gefragt, ob wir hier illegal einwandern würden. Einmal hatte ich tatsächlich ein wenig Befürchten, dass wir aus dieser Sache nicht so gut rauskommen würden, weil unser Kumpel sich ziemlich mit der Polizei anlegte. Ich weiß nicht genau, worum es ging, aber er war danach ziemlich aufgewühlt. Ich war immer wieder überrascht, wie schön facettenreich dieses Land ist. Bergketten entlang der Küste luden wirklich zum Staunen ein. Weite Sandflächen, einfach unberührte Natur, ließen meine Gedanken quasi wegfliegen. Marokko erdete mich ein weiteres Mal. Hier läuft das Leben halt komplett anders. Das schönste, was ich in dieser Zeit erleben durfte, war ein traditionelles Konzert. Wir tanzten und lachten viel. Ganz gleich, dass wir nicht aus ihrem Land waren, wir wurden so herzlich in die Gruppe aufgenommen. Es waren schöne Klänge der Gitarre, Trommel und traditionellen Instrumenten, dessen Name ich jetzt wieder vergessen habe. Schon lange hatte ich nicht mehr so Spaß. Mein Herz lachte. Ich habe in diesem Moment das Leben gespürt.


Mir gingen viele Fragen durch den Kopf. Verständlicherweise. An einem Tag stellten wir uns an die Straße und trampten. Okay wir nennen es trampen, die Leute dort nennen es "Taxi." Und so mussten wir nicht lange warten und wurden von für uns fremde einfach bis ins nächste Dorf mit genommen. So funktionierte ein solidarisches Miteinander. Zumindest hier. Statt höfliches Schweigen wurde sofort miteinander geredet. Ich fragte mich, ob es auf Dauer anstrengend sein könnte, immer miteinander reden zu müssen, weil es ja irgendwie erwartet wird. Taranzough - ein Surfer-Hotspot. Ein niedliches Dorf an der Küste mit Spots für Jedermann. Ein Traum. Kleine Wege durch enge, bunte Häusergassen bahnten sich durch die Stadt. Überall kamen uns Surfer entgegen. Es roch überall nach frischem Fisch, welchen wir natürlich auch aßen. Dass sowas nicht unbedingt etwas für unsere verwöhnten europäischen Mägen ist, habe ich nach der Reise deutlich zu spüren bekommen.

Denn nachdem wir am letzten Tag auf einem Fischmarkt waren (hier lagerten die Fischer ihren Fisch in Kisten unter Sonnenschirmen bei 40 Grad), den Fisch zubereiteten, hatte ich binnen vier Stunden nach Verzehr extremen Durchfall. Alle zwei Stunden musste ich seither nun auf Toilette. Nicht das schönste Abschiedsgeschenk. Ich hatte einfach nur Bauchschmerzen und starke Übelkeit. In Deutschland war ich deswegen sogar im Krankenhaus, weil mich mein Hausarzt wegen der aktuellen Corona Pandemie nicht aufnehmen wollte. Mit Corona infiziert bin ich nicht, aber dafür habe ich eine Bauchspeicheldrüsenentzündung und eben diesen starken Virus, der all dies verursacht. Mittlerweile gehts mir wieder besser und ich bereue nichts von dem, was ich erlebt habe, denn ich habe gelebt und es war in diesem Moment ja auch super lecker. Vielleicht war der Glaube oder die Annahme daran, dass die Lebensmittel in Afrika auch einem ähnlichen Hygienezustand, wie hier in Deutschland haben, ein wenig naiv, aber ich habe ja draus gelernt.

Insgesamt war die Zeit in Marokko eine ziemlich aufregende Zeit, die ich wohl so schnell nicht vergessen werde. Wir waren auf einem traditionellem Konzert, haben getanzt, Yoga gemacht, Esel, Kamele, Ziegen gesehen, Bergketten gesehen und festgestellt, dass auch hier der Klimawandel extrem angekommen ist, da alle Flüsse ausgetrocknet sind, Armut und Reichtum ganz nah beieinander erlebt, Kultur kennengelernt, Wellen geritten, Sonne genossen und vor allem ganz viel über das Land gelernt.

Ich bin sehr dankbar für die Begegnungen und Bekanntschaften mit den Menschen vor Ort. Vor allem mit der von Elisabeth auf England. Sie sei seit einem halben Jahr alleine in Marokko unterwegs und habe noch vor Afrika weiter zu bereisen. Das Gespräch mit ihr gab mir Hoffnung und Zuversicht und Bestätigung, dass es vollkommen in Ordnung ist, dass ich so bin, wie ich bin.

Die Zeit mit meiner besten Freundin tat mir auch sehr gut. Auch, wenn wir selten alleine waren, war es wunderschön dich jeden Tag gesehen zu haben. Ich habe die Zeit mit dir sehr genossen. Danke, dass es dich gibt.


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