Was bleibt sind die Erinnerungen...
Ich sitze hier. Umschlossen von Strukturen, die mal waren und wieder sind, im Morgentau und Abendgrau, weil sich Novemberkälte anschleicht. Ganz leise klopft die Dunkelheit ans Fenster und der ganze Trubel wird nur noch mehr. Der Ausblick aus dem Fenster war einmal der gleiche und ist wieder der gleiche. Und dann erinnere ich mich genau an die Zeit zurück, die vor paar Monaten war. An die Zeit, die alles verändern sollte. Positiv. Vor der Reise, ist nach der Reise. Das ist mir jetzt klar... Die Luft zugeschnürt... Zwischen unterdrückten Tränen, fällt das Atmen besonders schwer. Veränderung findet statt und davon bin ich verdammt platt. Hier ein change, da ein change. Ein Change ohne festen Halt. Ohne Antwort auf "Wo bin ich bald?" - Wo ist der nächste Wald, ohne jegliche menschliche Gestalt? Die Ruhe. Der Frieden... das Meer. Und ich öffne mein Fenster, Morgensonne strahlt mir ins Gesicht. Ich höre fröhliche Stimmen, anstatt Autolärm, die die Straße entlang laufen. Ich bin ausgeschlafen. In einem fremden Bett. In einer fremden Stadt. In einem fremden Land. Hier bin ich mir nah, denn nichts ist alltäglich, nichts ist, sowie es scheint. Nichts ist wirklich wichtig, außer, dass du wahrhaftig scheinst. Ich weiß nicht, was ich heute machen werde und wo ich heute Abend schlafen werde. Ich weiß nur, dass ich in Richtung Norden möchte, um ans Meer zu gelangen. Und ich ziehe die Jalousien hoch, der Regen prasselt ans Fenster. Morgenroutine startet mit den Versuchen Yoga zu machen, doch die Motivation früher aus dem Bett zu kommen, um alles vor dem hektischen Alltag zu schaffen, bleibt aus. Ich mache mir einen Kaffe, dazu mein Power Müsli und schalte mein Smartphone an. Instagram habe ich gelöscht, weil es mir zu dämlich ist, andere bei ihrem ach so tollem Leben zuzusehen. Dafür bin ich jetzt mehr in Nachrichten vertieft. Eine Stunde brauche ich morgens, um alltagstauglich zu werden. Danach gehts los. Raus in die schnelllebende, an uns vorbeiziehende Welt. Und ich sehe die Landschaft an mir vorbeiziehen. Ich nehme jedes Geräusch, jede Bewegung genauestens wahr, weil alles neu ist. Ich bin eine Entdeckerin. Nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich, den ich entdecke mich - komplett neu. Ich halte an, werfe mein Rad beiseite und esse inmitten einer menschenleeren Weltfläche, meinen Apfel. Ich genieße die Stille und diese verdammte Weitsicht. Ich wollt gar nicht blinzeln, denn es könnte ja sein, dass ich dann Momente verpasse.. Und dann radel ich zur Bahn. So schnell wie ich kann. Finde mal wieder keinen Stellplatz fürs Fahrrad, ach egal. Oh die Bahn hat Verspätung, na phänomenal. Die ganze Hetzerei umsonst, wie so oft. Nach 15 Minuten kommt die Bahn dann endlich mal... aussteigen tut fast ein ganzer Hochzeitssaal. Die Fahrt in einer vollen Bahn jedes Mal eine Höllenqual, doch zur Zeit habe ich keine andere Wahl.
Und jetzt fahre ich links ab, weil es dort schön aussieht. Ich habe Zeit. Eine Route gibt es nicht. Einen Plan für heut habe ich nicht. Es ist alles egal. Und dann steige ich aus, eigentlich will ich ja auch raus. Raus aus dieser vollen Bahn, aber was vor mir liegt, ist der laute, volle Hauptbahnhof. Ich find das doof, weiß nicht wohin mit mir, hab eher das Gefühl, weg von hier. Mich rempeln Menschen an, unabsichtlich will man meinen... keiner scheint mit der Sonne in sich außerhalb zu scheinen. Ich bog einfach ab. Jetzt mal nach links. Keine Lust immer nur geradeaus zu fahren. Hat sich gelohnt. Hier ist noch weniger los, dafür ist alles groß. Ich steige vom Rad, weil der Anstieg wirklich viel zu steil ist. Macht nichts. Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt. Und nach jedem Anstieg wird man mit einer krassen Aussicht belohnt. Ich genieße, atme diesen Moment ein und vermag aus Angst etwas zu verpassen gar nicht zu blinzeln. Die Abfahrt lässt mich wieder wach und aufmerksam werden. Der Wind weht durch mein Haar und ich rase lange, lange hinunter... Ich gehe den immer gleichen Weg zur Uni, weil er eben am schnellsten geht und ich halt auch keinerlei Zeit habe mal einen anderen Weg auszuprobieren. Mein Tag ist voll an Terminen. Auch wenn ich links abbiegen würde, würde sich an der Lautstärke einer Großstadt nicht sonderlich viel ändern. Alles beim Alten, denke ich mir. Nur ich nicht. Unten auf Normalnull angekommen merke ich, wie lebendig ich mich gerade gefühlt habe. Wie gefährlich es aber auch ist alleine unterwegs zu sein... im Nirgendwo. Keiner würde bemerken, wenn du stürzt... keiner würde dir helfen, weil niemand weiß, wo du bist. Ich bin anonym in einem fremden Land... meine ich dass mit alleine sein? Angekommen. Hochhaus. Fahrstuhl kommt. Reinquetschen. Hochfahren. Anonymität in einer Großstadt. Überall anonym.
